Wir, die Initiative Schlafen statt Strafen, verurteilen das repressive Vorgehen der Ordnungskräfte in der letzten Woche gegen Crack-Konsumierende in der Innenstadt. Die massive Vertreibung und Abstrafung von drogenabhängigen und obdachlosen Menschen durch Polizei und Ordnungsamt im Innenstadtumfeld, ebenso die Rufe des Oberbürgermeisters sowie einiger Fraktionen nach der Verlegung des Drogenkonsumraumes ist Symptom einer kurzfristig gedachten, reaktiven, aber zutiefst uninformierten Politik. „Diese Politik und der aktuelle Diskurs bauen ein Feindbild auf, das leicht vergessen lässt, dass wir bei Crack-Konsumierenden über Menschen reden, nicht über „Probleme“ oder „Störungen beim Einkaufen““, sagt Pressesprecherin Anna Flaake: „Die Stadt sollte sich auf langfristige Hilfen konzentrieren, statt uninformiert in Schnellschüssen Forderungen aufzustellen, wie Herr Heitmann oder Oberbürgermeister Westphahl mit der Forderung nach Verlegung des Drogenkonsumraumes. Nur soziale Lösungen statt Verdrängung und „Law and Order“–Mentalität sind geeignet, drogenabhängigen Menschen zu helfen, und nur so können die Sorgen der Händler*innen nachhaltig adressiert werden.“
Die Vertreibung von Menschen, die in der Innenstadt konsumieren, und Repressionen gegen sie führen nicht zu einer Lösung des Problems, sondern nur zu einer zeitweisen Verlagerung. Durch Einsatz von Ordnungsamt, Polizei, Strafen, Vertreibung von Menschen und auch eine Verlegung des Konsumraums werden Crack-Konsum und auch Obdachlosigkeit nicht weniger, sondern nur kurz aus dem Sichtfeld verbannt, um dann wiederzukehren in immer elenderer Form. Die konsumierenden Menschen werden nicht verschwinden oder auf wundersame Weise von ihrer Sucht geheilt, sondern sie werden sich an einem anderen Ort in der Innenstadt aufhalten und auch dort , dann auf offener Straße (!), konsumieren. Die Innenstadt ist und bleibt der Hauptort zur Geldbeschaffung, die zur Finanzierung einer Sucht notwendig ist. Es ist naiv zu glauben, dass die Verlegung des Drogenkonsumraumes dies verhindern würde. Im Gegenteil, „eine Verlegung des Drogenkonsumraums führt nur zu höheren gesundheitlichen Risiken, mehr öffentlichem Konsum und weniger Zugang zu Sozialarbeit für betroffene Menschen und somit zu einer langfristigen Verschlechterung der Lage“, so Flaake. Konsumierende Menschen werden sich weiterhin in der Innenstadt aufhalten, da sie ihren Konsum finanzieren müssen, und das werden sie in der Innenstadt tun, egal ob sie die Möglichkeit haben, sicher und hygienisch zu konsumieren oder nicht.
Hinzu kommt, dass Crack leicht zu konsumieren ist und eine kurze Wirkdauer hat, weshalb es für die meisten Menschen einfacher ist, nicht zu einem Konsumraum zu gehen, sondern direkt auf der Straße zu konsumieren. Viele der Menschen, über die aktuell so viel diskutiert wird, werden also noch nicht von aktuell bestehenden Strukturen erreicht. Deshalb braucht es neue, soziale, nicht ordnungsrechtliche, Konzepte. Mögliche Ideen sind, Straßen als Konsumduldungszonen zu definieren, in denen Konsum nicht geahndet wird, aber dafür verstärkt Sozialarbeiter*innen unterwegs sind. Auch mobile Drogenhilfeangebote könnten Lösungsansätze sein. Zusätzlich zu neuen Sofortmaßnahmen und Sofortstrukturen müssen auch andere soziale Strukturen und vor allem Präventionsstrukturen auf- und ausgebaut werden. Dazu gehört die Verbesserung der Versorgung obdachloser Menschen, da diese oft auch von Sucht betroffen oder gefährdeter sind, beispielsweise durch die Öffnung der Notschlafstellen für alle Menschen (also auch Menschen, die ihren offiziellen Wohnsitz außerhalb Dortmunds haben oder über keinen deutschen Pass verfügen). Des Weiteren braucht es Suchtpräventionsangebote, genauso wie weitreichendere soziale Präventionen, die prekären Lebenssituationen vorbeugen. Für die soziale Prävention von Obdachlosigkeit gibt es bereits Konzepte wie Housing First, die nun dringend umgesetzt werden müssen, sowie eine generelle Erhöhung von sozialem Wohnungsbau.
Wir fordern die Stadtverwaltung auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich mit lokalen Hilfeeinrichtungen und Expert*innen aus erfolgreichen Initiativen anderer Städte zu vernetzen und die städtischen Ressourcen zu nutzen, um einen fundierten, langfristigen und vor allem sozialen Plan zu entwickeln. Wir richten den dringenden Appell an die Politik, dieses Thema nicht als reines Mittel zur Stimmungsmache zu nutzen und sich mit Schnellschüssen zu überbieten, sondern sich zu informieren und langfristige, nachhaltige und vor allem soziale Lösungen zu entwickeln. Am Ende werden alle involvierten Parteien, also auch die Innenstadt-Händler*innen, nur profitieren, wenn es Lösungsansätze gibt, die auch die Crack-Konsument*innen mit einbeziehen und diese nicht nur zu einem Objekt machen, das hin und hergeschoben wird.