Die erste Mahnwache findet am 27.3. um 18 Uhr vor dem Dortmunder Rathaus statt. Hier liegt ein Stolperstein, der an Kurt Dorr erinnert. „Wir wollen hier an den Menschen Kurt Dorr erinnern, der von den Nazis erst verhaftet und dann im KZ ermordet wurde.“ So Chris Möbius, Pressesprecher*in von “Schlafen statt Strafen“. „Er steht stellvertretend für die Entmenschlichung von armen und obdachlosen Menschen, die ab 1933 zuerst durch Sprache und dann sehr schnell durch Taten umgesetzt wurde.“ Kurt Dorr wurde 1909 in Marienwerder geboren. Er war ein arbeitsloser, schwuler Arbeiter, der als „Asozialer“ mehrfach von der Dortmunder Polizei festgenommen wurde, zuletzt am 4. Juni 1938 im Zuge der Aktion „Arbeitsscheu Reich“. Nach 18 Tagen in der Steinwache wurde er ins KZ Sachsenhausen deportiert, am 25. Januar 1940 dann ins KZ Mauthausen. Dort starb er am 17. Februar 1940. Chris Möbius: „Wir möchten auf keinen Fall die Singularität der Shoah und der Nazi-Verbrechen relativieren. Aber trotzdem möchten wir darauf aufmerksam machen, dass auch heute noch, und in letzter Zeit wieder verstärkt, viele Politiker*innen dieselbe entmenschlichende Sprache benutzen, wenn sie über obdachlose und arme Menschen sprechen. Und in der Presse werden diese Stereotype viel zu oft reproduziert. Das Schicksal von Kurt Dorr sollte uns eine Mahnung sein, wohin das im schlimmsten Fall führen kann.“
Eine Woche später, am 3.4. um 18 Uhr, findet eine Mahnwache für Andrzej an der Reinoldikirche statt, der genau ein Jahr zuvor von der Dortmunder Polizei erschossen wurde. Er befand sich augenscheinlich in einer psychischen Ausnahmesituation und hatte zuvor einen anderen obdachlosen Menschen attackiert. Als die Polizei eintraf, war diese Situation schon geklärt und Andrzej stellte in diesem Moment keine Gefahr für irgendwen dar. Auch nicht für die Polizei, die dann aber aggressiv auf ihn einschrie, ihn umzingelte und ihn schließlich mit einem Taser angriff. Als er sich daraufhin ungelenk und unkoordiniert, mit einem großen Verkehrsschild in den Händen, auf die Polizist*innen zubewegte, wurde er von den offensichtlich von der Situation komplett überforderten Polizist*innen erschossen. „Die Dortmunder Polizei tat in dieser Situation genau das, was sie immer tut. Statt zu deeskalieren gibt es gegenüber marginalisierten Menschen in psychischen Ausnahmezuständen offenbar nur die Option der Gewalt.“, so Pressesprecher*in Chris Möbius. „Es ist bestürzend, dass allein in Dortmund in den vergangenen drei Jahren vier Menschen in psychischen Ausnahmesituationen von der Polizei getötet wurden und weder Polizei noch Politik darin ein Problem sehen.“ Die Ermittlungen zum gewaltsamen Tod von Andrzej wurden (wie meistens bei tödlicher Polizeigewalt) sehr schnell eingestellt, obwohl es noch immer sehr viele offene Fragen gibt. „Schlafen statt Strafen“ möchte mit der Mahnwache auch an andere Opfer von tödlicher Gewalt aufmerksam erinnern wie beispielsweise an Szymon, der nur einen Tag nach Andrzej im Dortmunder Hafen getötet wurde und an Nejib Boubaker, der vor wenigen Tagen von der Dortmunder Polizei erschossen wurde.
Am 12.4. wird es schließlich um 18 Uhr (Einlass 17 Uhr) eine Diskussionsveranstaltung im Nordpol in der Bornstraße 144 geben. Hierbei wird die weiterhin prekäre Situation obdachloser Menschen in Dortmund und vor allem der vergangene Winter beleuchtet, in dem innerhalb weniger Wochen mindestens 5 Menschen auf der Straße gestorben sind. Die Diskussion wird auf dem Podium eingeleitet, auf dem Menschen mit verschiedenen beruflichen Bezügen zu obdachlosen Menschen sitzen. Dazu wird auch das Publikum wesentlich an der Diskussion beteiligt, um vor allem auch Menschen das Wort zu geben, die selbst von Obdachlosigkeit betroffen sind oder waren. Chris Möbius: „Die Einschätzungen und Erfahrungen der Menschen mit Lebensmittelpunkt auf der Straße sind das Allerwichtigste bei dieser Diskussion. Sie sind die Expert*innen, die ihre Situation am besten kennen und trotzdem meistens nicht beachtet werden.“ Zusammen soll überlegt werden, wie es jetzt weitergehen kann, damit sich die Situation für obdachlose Menschen in Dortmund schnell und nachhaltig verbessern kann. Nach der Diskussion bleibt der Nordpol für normalen Tresenbetrieb geöffnet.